Montag, 5. November 2007
Summer in der City - 2002 Bonn
Wenn Musik den größten Teil des persönlichen Interesses ausmacht, man also über ein gewisses Maß an Musikalität verfügt und man auf die Frage: Was wäre die schlimmste Situation? Blind oder Taub? nach nur kurzem Überlegen zu „taub" tendiert, dann wird man das folgendes Thema verstehen.

Klingeltöne.

Die Bezeichnung weist darauf hin, Töne erzeugendes Klingeln. Auf dem Handy und definitiv in meinem Gehör. Nichts bringt mich schneller auf dunkle, sozialverhalten-negativierende Gedanken als Klingeltöne.

Und da unterscheide ich überhaupt nicht zwischen der, die moderne Popkultur verherrlichenden Jamba-Variante, dem klassischen, einst wohltemperierten Klavier-Gebimmel oder der, nicht im geringsten natürlich wirkenden Klangerzeugung von Tierstimmen, hysterisch lachenden Säcken oder Geräuschen tabuisierender Körperfunktionen. Es nervt mich alles! Und ich hasse augenblicklich!

Oft gesellt sich noch eine Rückkopplung in technischen Geräten der Umgebung dazu, sei es ein Kopfhörer oder ein Radio oder – besonders schön- das Bild auf dem Monitor meines PCs beginnt zu tanzen. Das mag ich ja noch mehr, erst fühl ich mich kotzübel und dann krieg ich mörderschlechte Laune weil direkt neben mir eines dieser Schrottgefüllten Plastikgehäuse los legt, in übertriebener Lautstärke, wahrscheinlich „Großveranstaltungsmodus-RockamRing".

Üblicherweise hat der Besitzer sein Hörnervtodesgerät ganz unten in einer riesengroßen Umhängetasche und trotz des mir bereits Tränen in die Augen treibenden Lärmes (Ohren weinen nicht) hört er die aufs äußerste verunstaltete Melodie eines derzeit hochplatzierten Charthits, kurz unter der Ultraschallgrenze, bestehend aus einstelliger Notenanzahl erst beim vierten Durchgang. Und wer dachte, das wäre jetzt schon laut, mein lieber Scholli, ho ho! zuckt nun mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, als das Handy das Tageslicht erblickt und seine Schallwellen ungedämpft durch den Äther senden kann. Nun geh endlich ran du Doof!

Was der Doof dann endlich, nach langem Blick aufs Display, auch tut. Und obwohl man jetzt gezwungenermaßen und ohne Aufforderung teilnimmt an seinem Leben, erfährt was er so toll wichtiges tut, wie seine Beziehung läuft oder wann er wo dann mal sein wird, ist man doch ein bisschen glücklich denn solange der Doof seine leeren Wortblasen durch die Leitung blubbert, kann das Handy nicht noch einmal klingeln.

Natürlich hat der klingeltonliebende Doof von heute mehr als nur einen handybewährten Freund. Und klingeltonliebende Doofs rufen sich unter einander gern an. Weiß er doch, wie groß die Freude ist, seinen dollen runtergeladenen neusten Klingelton zu hören. Wenn so ein klingeltonliebender Doof einmal angewählt wurde, muss er aus Gegenliebe gleich noch andere klingeltonliebende Doof anrufen. Das ist so Gesetz. Einer für alle usw. Wenn diese Kette erst einmal in Gang gesetzt ist, tanzt sich das lila Nilpferd in Extase.

Gibt es noch einen Ort wo man vor Klingeltönen sicher wäre? Auf Arbeit? Auf der Straße? In Bussen, Bahnen oder Zügen? In Flugzeugen, ja noch vielleicht aber gleich hinter der Bordtür geht's gnadenlos weiter. Nicht einmal zu Hause wird man verschont, NEIN! erst recht nicht da! Denn hier schieben sich Klingelton anpreisende Werbespots in immer kürzeren Abständen aber immer längerer Dauer tagtäglich zwischen die Musikclips, welche größtenteils ohnehin schon im Original hart zu ertragen sind und nun noch mal als elektronische Fiepdauerschleife wiederholt werden zusätzlich mit grottenschlecht animierten Comictieren in zu knapper Badebekleidung. Sende 1 für Das und schicke 2 für Dies und drücke … die Austaste des Fernsehers oder mein Gehirn explodiert.
P.S.: Ein Wort zu meinem Handy: Vibrationsmodus! Enjoy the silence….

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