Milkland

Gestern ging mein TVempfänger kaputt... einfach so, zisch, Ozongeruch, dunkel...

mist!

Das Radio läuft.
Fritz, und das hört man ...
im Moment sind es noch angenehme neue Songs zwischen electrisch, rockisch und modisch ...
ich hoffe nur, die Berlin Posse -ehy alda yo isch mach disch opfer, weiß du? hält noch ne Weile die Klappe.

Wenn man darüber nachdenkt, für die verwaiste Fernbedinung einen Schrein zu bauen und sich empört, dass es Millionen von Lese-Cafes gibt aber keine Fernseh-Cafes... hm, ist das seltsam?

Hier sind die einzelnen Sfufen dokumentarisch dargestellt, wenn ein TV Gerät seiner Funktion nicht mehr nach kommt.
Zumindest sind das die Reaktionen bei mir :

Es gibt nur eine Richtung. Vorwärts.

Da wachst du einfach mal auf.

Der Zug fährt und du sitzt in einem separaten Abteil. Klein, gemütlich und nur die Familie. Danach wirst du dich immer wieder zurück sehnen also genieß die Zeit. Alles ist an seinem Platz, erstklassiger Service, Freigetränke, „wollen Sie noch etwas bestimmtes?" Gefrage und immer ein Stück Schokolade auf dem Kopfkissen, bevor es dunkel wird, kurz vorm Schlafen gehen. Doch diese Abteile sind zeitbegrenzt. Unbarmherzig beginnt der Platzwechsel. Das merkst du schon noch. Deine Eltern fahren eine Weile im selben Wagon mit, doch irgendwann werden sie immer weiter hinter dir sitzen. Sie fahren schon länger mit dieser Bahn, ihre Ziel ist nicht deins.

Du musst umsteigen.

Neue Mitreisende kommen dazu. Manche dürfen sich neben dich platzieren, andere erträgst du nur als Gegenüber, manchmal bist du froh wenn du sie nicht ständig ansehen musst.

Ein paar springen bei voller Fahrt auf und hängen eine Zeitlang als Surfer draußen an den geschlossenen Türen aber du weißt, irgendwann sind die auch wieder weg, sei es Dank eines zu dicht an die Strecke gebauten Holzmastes, einer heftigen Explosion mit Lichtbogen oder ihre Kräfte lassen einfach nach. Die Leute in der Bahn sind die um die du dich kümmern solltest.
Die Bahn bewegt sich merklich. Vorwärts. Das konstante Rattern der Schienen ist immer anwesend. Setz dich besser ab und an in eine neue Position, das ist bequemer und Rückenfreundlicher, sagt man.

Von Umleitungen und Verspätungen sei nicht all zu sehr überrascht. Es ist viel los auf der Strecke. Doch die Bahn fährt bald wieder so schnell wie zuvor, da sind sie penibel. Der Zeitplan steht. Angekommen sind bislang alle.

Scheinbar ist dir die Gegend durch die du dahin brausst vertraut, du erkennst die Skyline am Horizont, markante Orientierungspunkte aber trotzdem ändert sich alles von Station zu Station.

Du wartest schon länger auf den Schaffner der dich nach deiner Berechtigung an Bord fragen wird und dem du dann deine Fahrkarte entgegen halten kannst welche du schon so oft betrachtet, gefaltet und wieder glattgestrichen hast. Doch es kommt keiner... oder war er bereits schon da gewesen? Woher hast du das Ticket eigentlich? Doch nur selbstgemacht.

Vielleicht wird dir die Fahrt zu langweilig wenn mal keiner mehr zusteigt oder sie dich nur anstarren ohne erkennbaren Grund.
Du kannst jederzeit aussteigen wenn du willst. Auch bei voller Fahrt. Das ist dein Recht.

Doch davorn wird bald wieder ein Platz frei.

Das Kinderabteil steht bald leer, es winkt ein Platz im Einzelabteil oder doch besser der Großraumwagen? Zeitweise macht es auch nichts aus, wenn du nur im Gang herum sitzt. Wenn der Servicewagen vorbeikommt, solltest du allerdings wieder aufstehen. Der muss permanent durch den gesamten Zug um zu fragen: „Und, was möchten Sie?" Antworten brauchst du ihm nicht. Der versteht das und außerdem kommt er ja gleich wieder aus der anderen Richtung.

Gute Fahrt weiterhin und immer schön aus dem Fenster gucken und winken!

Was hat rote Augen und sitzt im Kirschbaum?

Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere. Ich habe des öfteren im Jahr Bindehautentzündung. Das ist was sehr fieses, bei einer Magenverstimmung oder Gehirnschwund kann man es ja vor der Außenwelt ganz gut verbergen... aber bei einer Reizung der gesamtem Netzhaut... ich glaub ich weiß, auf was die Vampirsagen basieren.

Wenn man knallrote Augen hat, die Sonne verflucht und morgens vor allen anderen im Bad verschwinden muss um sich die Lider frei zu meißeln, dann ist es zeit für DIE BRILLE!

(Für den Arzt auch, ja stimmt, danke Mama für diesen Einwurf, aber ich bin jetzt groß und geh da nicht mehr sofort hin... außerdem hat der mich 3 Stunden sitzen lassen und da bin ich wieder nach Hause gegangen.... )

Also DIE BRILLE!

Kontaktlinsenträger besitzen meist nur EINE Brille, die noch aus der grauen Vorzeit stammt als man noch nicht die Vorteile der Plastikdeckelchen kannte. Das war die Zeit der angelaufenen Gläser im Winter, der vermiedenen Loopingbahnfahrten und der typischen Brille-Wieder-Hoch-Schieb-Geste. Mit dem Mittelfinger an den Steg und 2 mm nach oben rücken... sah aus als ob man dem Gegenüber mal die Meinung zeigen wollte...

Da diese Zeit oft schon länger zurücklag, ist die Brille auch modisch weit überholt. Welcher KL-Besitzer kauft sich auch jedes Jahr ne neue moderne Brille auf gut Glück, es könnte ja mal sein dass man sie braucht. Der normale KL-Besitzer vergisst ganz einfach, dass er je eine hatte, und wo er sie denn überhaupt hingeworfen hat. Er leugnet jegliche Beteiligung am Jahresumsatz von Veloursleder-Lappen in Fielman- Filialen.

Ich hab nach einigem suchen meine alte Brille wieder entdeckt und gleich kamen Erinnerungen hoch an Badetage an denen ich mich blind an meinem Eltern vorbei tastete (während sie feixend zu sahen) und all so was... Oder als man auf der Straße von anderen Brillenträgern mit der Brille-Hochschieb-Geste begrüßt wurde, so als verstecktes Zeichen: "Na du, du gehörst zu uns! Sei umarmt,
Bruder/Schwester!"
Discoabende im Winter, in denen ich am Eingang den gesamten Einlass zum stoppen brachte, weil ich erst mal die Brille frei wischen musste um den weiteren Verlauf des Gebäudes zu checken.

Meine Brille hat auch ein besonderes Extra: Heliomatic-gläser. Das bedeutet, wenn es draußen hell wird, werden die Gläser dunkler. Nicht ganz dunkel... das wäre ja schön und sehe aus wie eine Sonnenbrille. Nein sie werden nur minimal dunkler als sonst... was dazu führt, dass ich aussehe wie 100 Jahre nicht zum schlafen gekommen.

Da ich nun fast eine Woche lang mit meinem angedunkelten Sehschärfekorrekturgestell unterwegs war, konnte ich eine interessante Studie machen.

1. Wie reagieren mir fremde Bürger auf bebrillte Mitmenschen.

2. Wie reagieren Bekannte auf den neu bebrillten Mitmenschen.

Zu 1.

Als ich einst auf einer bekannten Autobahn des Nordens so im Stau stand, bemerkte ich folgendes... während auf der Hinfahrt immer wieder andere Autofahrer mit lustigen Gesten und intensiven Blicken mich und Begleitung zu sich ins Auto einladen wollten, manchmal sogar hinten auffuhren, drehten diesmal die interessierten Verkehrsteilnehmer kurz den Kopf, ein Blick in meine verdunkelten Helio-Projektionsspiegel und sie wechselten Spur / Kopfhaltung / Blickrichtung.

Einst bei einer längeren Zugfahrt setze sich keiner neben mich, die ganze Strecke von Münster nach Bonn über nicht. Selbst der Schaffner blickte nur einmal kurz ins Abteil und kam nie wieder. Ich hatte so 40 DM gespart da er meinen Fahrschein ( und mich) nicht sehen wollte.

Zu 2.

Man schaut mir an solchen Tagen nur noch einmal in die Augen, nämlich um zu prüfen wie weit die Rottöne noch vorhanden sind und um sich zu vergewissern: "Ihh sieht das eklig aus, Gott sei dank hab ich das nie/ nicht/nicht mehr". Danach schaut man strikt an mir vorbei, auf die Nase oder gleich gar nicht vom Schreibtisch hoch.

Leute die nichts von meinen Brille-Trag-Gründen wissen reagieren meist sehr erstaunt, die Frage schwebt ihnen förmlich über den Köpfen: Oh man, wieso hat sie den DAS Teil auf?

Oder abgekürzt: "Brille??????" mit genau soviel Fragezeichen dahinter....
Andere umschreiben das so: "Du es gibt doch so schöne Brillen zu kaufen, die sind noch nicht mal so teuer..."

Oder es kommt ein kumpeliger Schlag auf die Schulter: " Na? Kontaktlinse vergessen? Hö hö.. ja wir werden alle älter...."

Gester erhielt ich den gutgemeinten Rat: "Kamillenteebeutel aufs Auge!"
Hallo? Wenn Gott gewollt hätte, dass Kamillentee im Auge vorkommen sollte, dann hätte ich ja wohl von Geburt an ein Teesieb unter dem Augenlid!

Stehe ich vor dem WC-Spiegel und gieße mir die Yxin-Lösung mit Tetryzolinhydrachlorid ins Auge, erschrecken sich die Reinkommenden immer: " Huuuuuch, das sieht ja gefährlich aus, aua aua"

Lese ich etwas auf dem Monitor und ich schiebe unbewusst, weil so vertraut, die Brille ein Stück näher an meine Entzündungsherde, kommt es vor, dass Leute hinzuspringen und mir vorlesen.

...

Noch 3 Tage, und dann bin ich wieder ein KL. Und die Brille wird weg- und aus meiner Erinnerung ausgeschlossen.

Aus den Augen, aus dem Sinn.... sozusagen.