Montag, 22. Oktober 2007
Lacasa del Cid - 07.04.2006 Berlin
Lacasa del Cid / Zelle 40
07.04.2006 K17 Berlin

Zelle 40/ Lacasa del Cid

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Ein Haus, drei Veranstaltungen, drei komplett unterschiedliche Angebote. Ein Metal-Festival in der Halle, die beliebte Darkfriday-Electro-Industrial Party in der mittleren Etage und ein Neo-Westernkonzert unterm Dach. Neo-Western… eine Musikstilbezeichnung die bei den Meisten erst einmal erstauntes Augenbrauen-Hochziehen hervorruft. Was soll das denn sein? Nun ja, wie man richtig vermutet: hauptsächlich Gitarre. Richtig schön Gitarren satt. Begleitend vorangetrieben durch ein Drumset und weil, wie wir alle aus Cowboy-Filmen wissen, Frauen in dieser Zeit wohl nur zum Cancan-Tanzen auf der Welt waren, sind die Protagonisten stets männlich. Wobei Lacasa del Cid da einen Schritt weiter geht und zu späterem Zeitpunkt Serena Gruß für ein Duett auf die Bühne holte.

Doch zu aller erst einmal waren Zelle 40 dran. Der Potsdamer Freundeskreis um Sir Raze waren mir bis dato allein durch einige Liedgutbeispiele ein Begriff denen ich noch skeptisch gegenüberstand, da sie meiner Meinung nach Vertreter der „kalte“ Musikart bestehend aus harten Synthiklängen und Industrial-Metallisch-klingenden Sample zu sein schienen. Und mein Bedarf an eben solchem war seit einiger Zeit mehr als gedeckt. Mir war eher nach Saiteninstrumenten, partieller Gänsehaut und Ganzkörper-Rosa-Wolldecken-Feeling.

Nach einiger Wartezeit auf sich verspätende Gäste (ich sach’ nur BERLIN) begann ohne weitere Umschweife die Show. Uneingeschränkte Bewegungsfreiheit scheint man hier nicht nur in der Wahl der Ausdrucksweise zu benötigen. Ein Laufsteg quer durch den Raum wäre Mr. R. sicher äußerst willkommen gewesen, da aber nicht angeboten, verließ er ab und an die monoton blaubestrahlte räumliche Erhebung und veranstaltete einen Slalom um die sichtlich verunsicherten Zuhörer. Doch Sorgen waren unbegründet. Wir waren nur die Kegelhütchen seiner Marschroute. Ein dankbares Aufatmen Seitens der durch Goethes Erben oder Armageddon Dildos Vorgeschädigten, wie mir.
Pluspunkt: Live wirken die Songs wie „Dumb“ nicht ganz so steril und kühl, wie aus dem Studio. Erinnerte mich sehr oft an alte Pitchfork-„Lambras“zeiten aus dem hohen Norden.

Zelle 40 stehen bekanntlich für die anspruchsvolle Seite der künstlerischen Unterhaltung, soviel war mir schon klar. Ich hätte mir an diesem Abend auch ebenso gut 300 km weiter nördlich das x-te Konzert einer Berliner Bodypop-Boyband geben können, deren Entertainmentlevel leichter zu verdauen gewesen wäre aber bitte... war ich eben hier und verlor langsam den Bodenkontakt. Nach einigen Solos mit wohlwollenden Publikumsreaktionen traten zwei neue Protagonisten ins Licht. Jeweils mit Sturmmaske bzw. Leinensack über dem Kopf. Und da standen sie nun. Kein erklärendes Wort zusätzlich.
Erst als dem „Opfer“ Sicht- und Redefreiheit erteilt wurde. Aber auch das brachte mich nicht näher an den Grundgedanken. Als später der erneut verschleiert- geknebelte Mensch mit einer Waffe bedroht und zu Boden geworfen wurde, war es bei mir endgültig aus mit dem Interesse. Nachrichten aus aller Welt hatte ich heute schon zur Genüge gesehen. Und immer nur mit dem Finger draufzeigen ist zu simpel. Danke – der nächste bitte.

Und deswegen war ich ja eigentlich auch vor Ort. Nachdem das Internet an allen markanten Sammelstellen und Drehpunkten der verschiedenen Szeneunterteilungen nachhaltig und zunehmend aggressiver mit Werbung bombardiert wurden war und es dessen ungeachtet vereinzelt sogar positives Echo gab, war ich auf die Reaktionen der wenigen Mutigen die sich vor Ort eingefunden hatten gespannt. Zumal es auch für mich heute Premiere sei würde Lacasa del Cidunter Konzertbedingungen zu erleben. Die Lichtanlage wechselte in monotone Rotbestrahlung (das wohl gemeinste Licht was man sich als Fotograf wünschen kann) und mit einem der neusten Werke Namens „ a burial of a tribe„ startete die Neo-Western-Show. Drei Gitarren und ein Schlagzeug. Jeahaaa!
Jüngst vernahm ich ein Hundertprozent treffendes Zitat“ Countrymusic kann eben soviel ausdrücken wie ein Broadway Musical“ (unbekannter Verfasser) Da sag ich doch AMEN!

Ist man erst einmal auf den Geschmack gekommen, dann kann jeder Song von Lacasa del Cid wie ein Hörspiel sein. Sein kommendes Werk „Who killed Barbie“ (erscheint voraussichtlich im Mai dieses Jahres) bieten da viel Stoff zum „auf Reisen gehen“. Zudem Carsten Klattes lyrisches und schauspielerisches Talent live zusätzlich Wirkung zeigt. Oder wie jemand mit Kameraobjektivblick meinte“ Der weiß schon wie er rüberkommen muss, was für ein cooler Poser....“ Ja ja.... Man muss also niemanden plakativ das Gehirn mit der Waffe wegblasen, das kann man auch sinnbildlich allein durch Musik und Präsenz. Spart auch die Reinigungskosten.
Extra für diesen Abend wurde alles in einer modifizierten aufgepushten Version vorgetragen, mit mehr Drumherum und Zusatz-Musikern als Unterstützung, was mir nicht so ganz in den Kram passte. Im Original hatten die Lieder bestens bei mir funktioniert, dass Erfolgskonzept wollte ich so eigentlich ebenfalls an meinen Freunden testen.
Werden sie eben die gesammelte Fassung auf CD zu hören bekommen und dürfen dann vergleichen. Macht euch schon mal ein Kreuz in den Kalender, Mädels. Songs wie „Asketen“ sind jedoch nicht so ohne weiteres verfügbar, da nie veröffentlicht und das nächste Live-Konzert liegt noch in weiter Ferne (WGT Juni 2006) Da hatte derjenige Glück, der diesmal dabei sein konnte.

Gegen Ende des Sets machte es die sogenannte Single – wenn man denn so was produzieren wollen würde- „tell me overwhelm me“ den Neulingen auf jeden Fall leichter über ein Erscheinen beim nächsten Mal nachzudenken. Die Hookline mit dem einprägsamen Refrain ist noch ohne Grund der erste Song dem man auf der Myspaceseite zu hören kriegt.
Damit dann doch endlich die von mir angepriesenen Tanzeinlagen wahr wurden und weil vordergründlich Serena natürlich ein wichtiger Teil in der Lacasa del Cid Geschichte ist ( auf dem ersten Album „Lonestar“ gibt sie in mehren Stücken den Ton an) gab es nun ein Duett der Beiden zu „Buried alive“ mit dem wunderbaren Slogan: Where the meaning ends, still the spirit reaches... Da geht nur noch „eintauchen und wegschaukeln“. Wenn das nicht entgültig überzeugt hat, dann hatte man sich offensichtlich in der Etage geirrt. Und da alle meine Freunde hinterher immer noch anwesend waren und immer noch mit mir redeten, war es wohlweislich ein Erfolg.

Die kommenden Stunden verbrachten ein paar von uns natürlich noch in den kühlen Mauern des K17 und ließen kein Electro-future-pop-weiber-industrial-Bonbon aus. Manchmal brauche auch ich dann wieder kalte Musik.

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