Montag, 22. Oktober 2007
Tinnitus Festival - 2004
milkland, 03:46h
Tini-tussi 2004 - Stockholm (Sweden)
Wiedereinmal sollten meine Eltern recht behalten, kontinuierlicher Konsum lauter Musik führt unweigerlich zu Tinitus.
Donnerstag 05.11.04
Nach Gewaltmärschen durch die Ladenmeilen Berlins und durch Spendenhilfe von Sputnik, die mir ihre New Rocks überließ, war meine Tasche gemäß der Ryanair-Flugrichtlinien mit absoluter Platzausnutzung unter 15 Kg schwer. Die schon Tage vorher in Wodka eingelegten Gummibärchen passten da schon nicht mehr rein und mussten in der Hand getragen werden ( was ihren Bestand sehr schmälerte)
Elk-City Ludwigsfelde 23:00
Zusammen mit Mario und Synke verbrachte ich die Nacht bei Jette zu Hause zwischen Hunderten Elchplüschtieren und nordischen Tourplakaten, damit wir auch ja alle zusammen zur gleichen Zeit Richtung Hörsturz-Festival abfahren können. Eine halbe Flasche Wodka überstand diesen Abend nicht.
Bereits am nächsten Morgen im Auto musste die andere Hälfte dran glauben. Wobei Synke sich raushielt, weil sie keinen Alkohol trinkt und Jette der Fahrer war. Das wirft grad wieder ein super Licht auf Mario und mich, oder? Dank Feldwebel-Synke kamen wir auch ohne größere Verspätungen los. Die Frau hat ein Metronom in den Genen, was sich nicht nur darin zeigt, dass sie Drummer in einer Leipziger Band ist, sondern auch auf die Sekunde genau in der Tür steht und uns eindringlich und ohne jede Chance auf Widerspruch zum Aufbruch mahnte.
Die Taschengewichtskontrolle auf dem Lübecker Metropolflughäfchen überstanden wir ohne Probleme (ganz anders als Dorit in Frankfurt Hahn), an der Sicherheitsschleuse das übliche Schuhe-Gürtel-und ja das ist nur der BH-Spiel und natürlich auf den ersten Blick erkannte man wer von den Mitreisenenden ebenfalls das Festival besuchen wird. Doch zu ihnen später.
In Skavska erwartete uns bereits absolute Dunkelheit, 5 Grad über Null und zum Glück alle Taschen und Rucksäcke. Mit den Passagieren einer so eben gelandeten Maschine bestürmte man die Reisebusse in der typisch panischen „wer bis drei nicht drin ist, muss zurück fliegen“ art. Als ob nie wieder an diesem Tag ein Bus nach Stockholm fahren würde. Wie auch schon im Jette’s Plattenbauschloss, im Auto, im Flugzeug und den Zwischenwegen konnte sich Synke davon überzeugen, dass Mario seinen Beinamen „Labermann“ zurecht besitzt. Die längste Diskussion hatten sie über Auslandsgebühren für Mobiltelefon-Mailboxen. Die Einigung darüber steht bis heute aus.
Nachdem Mario an seinen Aufsichtsschweden Jim übergeben wurde, nahmen die Party Puppen im ersten Taxi der kommenden Tage Platz und ließen sich bequem zu Dorit chauffieren, welche bereits eine Stunde vorher in unserem Exilhome angekommen war. Dieses war unweit der kommenden Partylocation gelegen, in einem absolut traumhaft restaurierten Altbau im 40’ger Jahrestil mit rosagetünchten Wänden, breiten Marmor-Fluren und einem Aufzug für genau 3 normale Passagiere oder einem deutschen Touri samt Gepäck.
Im vierten Stock fiel mein Blick zuerst auf ein Warnschild, dass in leichtzulesenden Schwedensilben „Bettlern und Hausierern“ verbot die Klingel zu tätigen. Wir taten es trotzdem. Ich glaube, ich hab mich in der ersten Sekunde in die Wohnung verliebt. Eine helle Einraumwohnung mit altem Parkettboden, hell-vanille-gelb gestrichenen Wänden, einer Durchreiche zur Küche in wunderschönem grau-olivem Farbkontrast und damit verbunden, einer kleinen Bar mit sechs Barhockern. Kaum Möbel, viel Kunst, einige Musikinstrumente (logisch) und einem Wannenbad. Jungenwohnungen sind immer so schön klarstrukturiert. Diese gehörte Rickard, Keyboarder der bereits von den Partypuppen belegten Bands „Lowe“ und „Statemaschine“, welche dieses Jahr den Preis best Band-SAMA04 erhielten. Er ging eigentlich von nur zwei Besuchern aus, aber letztendlich wollte er sowie bei seinem Bandkollegen Leo schlafen, also warum auch nicht vier Mädels in der Wohnung? Die machten sich gleich ordentlich breit. Klamottentechnisch und mit mitgebrachten Sektflaschen. Immerhin hatten wir nur anderthalb Stunden Zeit, bis wir ins nahe gelegene „Mondo“ (der Ossi lächelt jetzt sicher- für alle Wessis, das war früher ne Ost-Kondommarke) fahren wollten, um ja pünktlich zum LOWE-konzert zu erscheinen. Hektisch wurden die schon in Deutschland per Vertrag abgeschlossenen Partyoutfits übergeworfen, die Gesichter in die Farbe gehalten, die Haare noch oben gefummelt und trotz einiger Überraschungen wie: nur EINEM Spiegel in der ganzen Wohnung (gerade bei Rickard hätte ich mehre erwartet) und einer extrem beweglichen Badewanne, die bei der kleinsten Gewichtsverlagerung rodeomäßig aufbockte, sowie der potenzierenden Zeitverschiebung wenn Jette und ich auf einander treffen, schafften wir es oberpünktlich zur ersten Band des Red-Festivals. Der Dank geht wieder mal an Stechuhr-Synke.
Der Club mit dem lustigen Namen war sehr geräumig. Im ersten Raum gab es eine sehr stilvolle Bar mit roten Samtvorhängen, gemütlichen Sitzecken und echten Kerzenleuchtern. In Schweden ist ja vieles strenger geregelt als in Deutschland. Da wird nicht geraucht mitten in der Partymenge, da wird nicht unkoordiniert auf dem Boden = Fluchtweg gesessen, offensichtlich zu-Besoffene fliegen raus, wenn ein Club voll ist dann IST der voll und es kommt keiner mehr rein und Alkohol wird bitte nicht in der Öffentlichkeit getrunken sonst lernt man die allerorts vorkommende Polizeistreife kennen. Aber offenes Feuer gibt’s überall. Ob auf den Fußgängerwegen kleine Näpfe mit brennendem Öl den Weg weisen wo man sich prima den Mantel entzünden könnte oder ob ungesicherte Kerzenständer auf wackligen Säulen stehen, überall könnte es sehr brenzlig werden. Ich hab immer einen riesigen Bogen drum gemacht. Als Blutengel-Konzertbesucher weiß man um die Schmerzen zufälliger Verbrennungen.Ein Live-DJ machte seine Arbeit sehr gut und spielte eine Mischung aus aufgepoppten 80’ern und neuen Elektro-Housestücken. Bis Jette bemerkte, dass es sich bei dem Herrn hinter den Turntables um den Sänger ihrer absoluten Lieblingsband Eskobar handelte, dauerte es nicht lange. Ab da war sie weg von der Bühne. Die erste Band des Abends waren Seize aus England. Leider war es recht leer als sie auf die Bühne kamen. Die meisten Leute befanden sich draußen in der Barlounge oder noch beim anhübschen zu Hause. Ausserdem war das Redfest nicht die off. Vorspielparty mit Karl Bartos-Liveprojekt für das Tinitus, für die es schon vorher hieß, wer nicht pünktlich ist, kommt schwer rein. Ich hatte Sandrine, Rosi und Stevo schon einmal in LE gesehen, beim Planet Myer Day 2002. Sandrine’s klare Stimme überraschte mich angenehm. Schöne Schunkelsongs. Steven schien mit irgendwas nicht zufrieden zu sein und machte ein langes Gesicht bis er irgendwann sein Mirko gen Zuschauerraum pfefferte. Da dieser ziemlich leer war, gab es keine Verletzten. Nach 30 min verließen die drei Engländer die schön beleuchtete Bühne und gaben ab an Lowe.
Rotstrahlende Buchstaben, welche ich bereits von Fotos mit Partypuppen darauf kannte, bereiteten ein reizvolles Bühnenbild. Ebenfalls taten dies die drei Schweden. Dorit und icke waren die erste Reihe. Einige zusätzliche Zuschauer hatten sich eingefunden und machten noch drei weitere Reihen komplett. Jette blieb eisern im Vorraum bei Eskobar. Morten von Statemachine war ebenfalls erschienen und hielt sich im hinteren Teil des Raumes auf, er hatte seine Mutter dabei, was uns etwas wunderte. Lowes eingängige Schmusesongs waren mein Highlight des Tages. Mein erstes Lowekonzert... hach ich kriegte mich gar nicht mehr ein und vergaß vor lauter Begeisterung beinahe das Fotographieren. Durch das konstante Rotlicht wurde es sowieso meist erschwert, respektable Bilder zu erhalten.
Leider ging irgendwann auch dieses Konzert zu ende und ich erwachte in der realen Welt mit Kronleuchtern und Kerzenständern. Zeit Jette von Eskobar wegzuhebeln und zusammen mit Mario und Jim, welche gerade den Saal betraten gen off. Pre-Tinitus zu fahren. Immerhin waren wir dort mit hunderten Leuten verabredet und einige Musiker des Festivals waren ebenfalls vor Ort und auf unserer To-Do-Liste. Mit dem Taxi und einigen gemischten Meinungen kamen wir gegen 23:00 Uhr vor der Schlange anstehender Menschen an. Wie vor jedem Club, jeder Bar und wahrscheinlich sogar jedem Bäckerreiladen, scheint man in Stockholm erst mal anstehen zu müssen. Darauf hatte aber nun keiner Lust. Da die sonst üblichen Anrufe beim Veranstalter diesmal nichts brachten und wir bereits 10 min in der kühlen Nacht verbrachten, verzogen sich Mario und Jim drei Straßen weiter zu einer Plastic-Party. Wir wollten eventuell nachkommen sollte sich in den kommenden 15 min nichts ergeben. Dann sprang Jette einen Mann an. Der freute sich darüber und dann stellte sich raus, dass Jette wohl schon des längeren mit Mark J. bekannt war, dem Drummer meiner Lieblings-Läster-Formation des Weiberelectros. Na toll Jette, noch mehr Geheimnisse? ;) Mr. Jackson verabredete ein Bier mit jedem von uns im Inneren des Gebäudes, sollten wir es noch vor Ostern schaffen hineinzugelangen und begab sich absolut umständlich auf den Weg zu einer nahegelegen Bank. Also die war eigentlich Luftlinie einen Steinwurf entfernt auf der anderen Straßenseite. Um dahin zu gelangen musste man sicher nicht 200 meter zurück laufen, an einer Fußgängerampel an einer leeren Straße auf Grün warten und dann wieder 200 meter auf der anderen Seite gehen um sie zu erreichen. Als er zurück kam, meinte er nur: Er wäre ein höflicher Mensch und würde ungern negativ auffallen als Ausländer. Ja gut gemacht, Mark * g * . Zu dem Bier kamen wir nicht mehr. Nach einem kurzen Gespräch mit hinter uns stehenden Holländern ( ah der Mann aus dem Flugzeug, klar dass wir den noch mal treffen sollten) entschieden die Mädels wieder zurück zum Mondo zu fahren.
Da war jetzt noch weniger los als vorher... nach einem Drink entschieden Doro und ich, ein Taxi gen Lowe-Wohnung zu nehmen. Jette und Synke schienen energiegeladener zu sein und blieben noch ein paar Stunden zwischen tanzenden schwedischen Studenten und kamen erst mit den ersten Sonnenstrahlen zu uns, drum hatten wir diese Nacht das breite Bett und sie mussten auf dem Boden davor schlafen. *Feix*
Natürlich war ich als erster wach. Dank der Rodeo-Badewanne auch bald die anderen. Wie oft ist in den vier Tagen eigentlich der Seifenspender hinter die Wanne gefallen? Und warum werden schwedische Badewannen nicht mit dem Boden verbunden? Zusammen mit Doro suchten wir uns einen netten Laden zum Frühstück besorgen und stellten dabei fest, dass die Personalleiter schwedischer Einkaufsketten eindeutig weiblich oder schwul sein mussten, denn ein Verkäufer sah besser aus als der andere. So macht einkaufen erst richtig spaß!
Gegen Mittag waren dann auch Synke und Jette soweit bei sich, dass wir zur Aktion „Thaikochen mit Hindernissen“ übergehen konnten. Nicht das wir keine Ahnung davon gehabt hätten, allein es fehlte an Küchenutensilien. Geht Rickard denn nur auswärts essen? Er hat keine Kaffeetassen, nur 4 Teller, keinen Dosenöffner (und jetzt auch keine scharfe Schere mehr) und mit zwei Töpfen und einem Wok wurde es auch recht knifflig, alles gleichzeitig auf den Tisch zu bringen. Das Ergebnis war aber absolut zufriedenstellend. Siehe Foto! Das Essen strahlt einen direkt an (kleine Kunstkreation von Synke). Nach und nach restaurierten wir unser lädiertes Äußere und trafen rechtzeitig im LOWEstudio ein um die Herren anzutreiben. Denn die waren heute dafür zuständig, dass wir ohne Ticket eingelassen werden würden. Doro und Jette, beide bereits auf anderen Gästelisten vertreten, fuhren einige Stunden vor dem Rest zum Festival aber verpassten so ziemlich alles, was sie sehen wollten. Beim Entern des Raumes erklang gerade noch ein „ bis bald, das waren Fixmer Mccarthy, tschüß“. Tja! Somit beschlossen die beiden, sich den Rest des Abends nur noch mit dem ansprechend gutaussehenden Publikum zu beschäftigen und den Alkbestand des deutschen Autos von Pohle und Mario zu dezimieren. Synke, icke und Lowe hielten noch einmal kurz in einem der besten schwedischen Thairestaurants bevor wir, Lowe-Plakate rechts und links klebend, rechtzeitig zu Alphaville Auftritt die Halle betraten. Der auffällige Mann vom Lübecker Flughafen lief mir dabei über den Weg, musste sich unbedingt vorstellen und war der Meinung, mir einfach jetzt einen Drink nach dem anderen kaufen zu wollen. Nach dem zweiten Glas bedankte ich mich höflich aber stellte unmissverständlich fest, wenn er heute Nacht eine Begleitung suche, dann bitte nicht mich fragen. Ab da konnte ich wieder selbstständig meine Drinks bestellen. *g*
Während des Alphavillesauftritt machte eine neue Wortkreation die Runde. Dank der Fülle des Sängers, der mind. 130 Kg wiegen musste und dem entsprechend seine Show abzog, wurde das Tinitus-Festival kurzer Hand umbenannt: Not Thiny- tus more Fattie-tus.
Kreative Skandinavier.
Der Headliner nahte. Und wer sollte es anders sein? Hamburg ole! VNV wie immer überall dabei. Aber diesmal ein kleiner Unterschied. Ich war in der ersten Reihe. So langsam sanken meine Abwehrkräfte. Dank einiger Small-talks vergangener Treffen, einiger mega-lustigen Streitthemen im VNV-forum und ja auch wegen neuer Ansatzpunkte in einigen Songs der beiden Superstars begann ich über ein Umdenken zu grübeln. Und die Show half bestens. Schweden war ausser Rand und Band. Die Absperrzäune kippten reihenweise. Security wurde zusätzlich angefordert und vor und hinter die labilen Begrenzung zur Bühne positioniert. Man hätte natürlich behaupten können, die Leute wollten eigentlich nur schnell da weg, Fluchtverhalten auf Grund VNVoverdose... aber nö, war ja nicht so. ;)
Ronan, von seiner erhöhten Position aus, alles überblickend, machte sich wie immer die größten Sorgen um seine Fans. Er bat inständig um mehr Vorsicht und weniger Kraft, ansonsten müsse er leider die Show abbrechen. Viel geholfen hat seine Ansage nicht. Mehr als einmal wurden schwächere Fans aus dem Pulk aus Armen und schweißüberströmten Gesichtern gezogen.
Nach anderthalb Stunden, als so ziemlich alle neuen Songs vorgestellt wurden, stellte ich mich aus gesundheitlichen Gründen lieber auf die Galerie und besuchte den Merchstand mit Peddy und Dirk Ivens dahinter. Beide öfter auf die Uhr schauend. VNV in Überlänge.
(To be continued)
Wiedereinmal sollten meine Eltern recht behalten, kontinuierlicher Konsum lauter Musik führt unweigerlich zu Tinitus.
Donnerstag 05.11.04
Nach Gewaltmärschen durch die Ladenmeilen Berlins und durch Spendenhilfe von Sputnik, die mir ihre New Rocks überließ, war meine Tasche gemäß der Ryanair-Flugrichtlinien mit absoluter Platzausnutzung unter 15 Kg schwer. Die schon Tage vorher in Wodka eingelegten Gummibärchen passten da schon nicht mehr rein und mussten in der Hand getragen werden ( was ihren Bestand sehr schmälerte)
Elk-City Ludwigsfelde 23:00
Zusammen mit Mario und Synke verbrachte ich die Nacht bei Jette zu Hause zwischen Hunderten Elchplüschtieren und nordischen Tourplakaten, damit wir auch ja alle zusammen zur gleichen Zeit Richtung Hörsturz-Festival abfahren können. Eine halbe Flasche Wodka überstand diesen Abend nicht.
Bereits am nächsten Morgen im Auto musste die andere Hälfte dran glauben. Wobei Synke sich raushielt, weil sie keinen Alkohol trinkt und Jette der Fahrer war. Das wirft grad wieder ein super Licht auf Mario und mich, oder? Dank Feldwebel-Synke kamen wir auch ohne größere Verspätungen los. Die Frau hat ein Metronom in den Genen, was sich nicht nur darin zeigt, dass sie Drummer in einer Leipziger Band ist, sondern auch auf die Sekunde genau in der Tür steht und uns eindringlich und ohne jede Chance auf Widerspruch zum Aufbruch mahnte.
Die Taschengewichtskontrolle auf dem Lübecker Metropolflughäfchen überstanden wir ohne Probleme (ganz anders als Dorit in Frankfurt Hahn), an der Sicherheitsschleuse das übliche Schuhe-Gürtel-und ja das ist nur der BH-Spiel und natürlich auf den ersten Blick erkannte man wer von den Mitreisenenden ebenfalls das Festival besuchen wird. Doch zu ihnen später.
In Skavska erwartete uns bereits absolute Dunkelheit, 5 Grad über Null und zum Glück alle Taschen und Rucksäcke. Mit den Passagieren einer so eben gelandeten Maschine bestürmte man die Reisebusse in der typisch panischen „wer bis drei nicht drin ist, muss zurück fliegen“ art. Als ob nie wieder an diesem Tag ein Bus nach Stockholm fahren würde. Wie auch schon im Jette’s Plattenbauschloss, im Auto, im Flugzeug und den Zwischenwegen konnte sich Synke davon überzeugen, dass Mario seinen Beinamen „Labermann“ zurecht besitzt. Die längste Diskussion hatten sie über Auslandsgebühren für Mobiltelefon-Mailboxen. Die Einigung darüber steht bis heute aus.
Nachdem Mario an seinen Aufsichtsschweden Jim übergeben wurde, nahmen die Party Puppen im ersten Taxi der kommenden Tage Platz und ließen sich bequem zu Dorit chauffieren, welche bereits eine Stunde vorher in unserem Exilhome angekommen war. Dieses war unweit der kommenden Partylocation gelegen, in einem absolut traumhaft restaurierten Altbau im 40’ger Jahrestil mit rosagetünchten Wänden, breiten Marmor-Fluren und einem Aufzug für genau 3 normale Passagiere oder einem deutschen Touri samt Gepäck.
Im vierten Stock fiel mein Blick zuerst auf ein Warnschild, dass in leichtzulesenden Schwedensilben „Bettlern und Hausierern“ verbot die Klingel zu tätigen. Wir taten es trotzdem. Ich glaube, ich hab mich in der ersten Sekunde in die Wohnung verliebt. Eine helle Einraumwohnung mit altem Parkettboden, hell-vanille-gelb gestrichenen Wänden, einer Durchreiche zur Küche in wunderschönem grau-olivem Farbkontrast und damit verbunden, einer kleinen Bar mit sechs Barhockern. Kaum Möbel, viel Kunst, einige Musikinstrumente (logisch) und einem Wannenbad. Jungenwohnungen sind immer so schön klarstrukturiert. Diese gehörte Rickard, Keyboarder der bereits von den Partypuppen belegten Bands „Lowe“ und „Statemaschine“, welche dieses Jahr den Preis best Band-SAMA04 erhielten. Er ging eigentlich von nur zwei Besuchern aus, aber letztendlich wollte er sowie bei seinem Bandkollegen Leo schlafen, also warum auch nicht vier Mädels in der Wohnung? Die machten sich gleich ordentlich breit. Klamottentechnisch und mit mitgebrachten Sektflaschen. Immerhin hatten wir nur anderthalb Stunden Zeit, bis wir ins nahe gelegene „Mondo“ (der Ossi lächelt jetzt sicher- für alle Wessis, das war früher ne Ost-Kondommarke) fahren wollten, um ja pünktlich zum LOWE-konzert zu erscheinen. Hektisch wurden die schon in Deutschland per Vertrag abgeschlossenen Partyoutfits übergeworfen, die Gesichter in die Farbe gehalten, die Haare noch oben gefummelt und trotz einiger Überraschungen wie: nur EINEM Spiegel in der ganzen Wohnung (gerade bei Rickard hätte ich mehre erwartet) und einer extrem beweglichen Badewanne, die bei der kleinsten Gewichtsverlagerung rodeomäßig aufbockte, sowie der potenzierenden Zeitverschiebung wenn Jette und ich auf einander treffen, schafften wir es oberpünktlich zur ersten Band des Red-Festivals. Der Dank geht wieder mal an Stechuhr-Synke.
Der Club mit dem lustigen Namen war sehr geräumig. Im ersten Raum gab es eine sehr stilvolle Bar mit roten Samtvorhängen, gemütlichen Sitzecken und echten Kerzenleuchtern. In Schweden ist ja vieles strenger geregelt als in Deutschland. Da wird nicht geraucht mitten in der Partymenge, da wird nicht unkoordiniert auf dem Boden = Fluchtweg gesessen, offensichtlich zu-Besoffene fliegen raus, wenn ein Club voll ist dann IST der voll und es kommt keiner mehr rein und Alkohol wird bitte nicht in der Öffentlichkeit getrunken sonst lernt man die allerorts vorkommende Polizeistreife kennen. Aber offenes Feuer gibt’s überall. Ob auf den Fußgängerwegen kleine Näpfe mit brennendem Öl den Weg weisen wo man sich prima den Mantel entzünden könnte oder ob ungesicherte Kerzenständer auf wackligen Säulen stehen, überall könnte es sehr brenzlig werden. Ich hab immer einen riesigen Bogen drum gemacht. Als Blutengel-Konzertbesucher weiß man um die Schmerzen zufälliger Verbrennungen.Ein Live-DJ machte seine Arbeit sehr gut und spielte eine Mischung aus aufgepoppten 80’ern und neuen Elektro-Housestücken. Bis Jette bemerkte, dass es sich bei dem Herrn hinter den Turntables um den Sänger ihrer absoluten Lieblingsband Eskobar handelte, dauerte es nicht lange. Ab da war sie weg von der Bühne. Die erste Band des Abends waren Seize aus England. Leider war es recht leer als sie auf die Bühne kamen. Die meisten Leute befanden sich draußen in der Barlounge oder noch beim anhübschen zu Hause. Ausserdem war das Redfest nicht die off. Vorspielparty mit Karl Bartos-Liveprojekt für das Tinitus, für die es schon vorher hieß, wer nicht pünktlich ist, kommt schwer rein. Ich hatte Sandrine, Rosi und Stevo schon einmal in LE gesehen, beim Planet Myer Day 2002. Sandrine’s klare Stimme überraschte mich angenehm. Schöne Schunkelsongs. Steven schien mit irgendwas nicht zufrieden zu sein und machte ein langes Gesicht bis er irgendwann sein Mirko gen Zuschauerraum pfefferte. Da dieser ziemlich leer war, gab es keine Verletzten. Nach 30 min verließen die drei Engländer die schön beleuchtete Bühne und gaben ab an Lowe.
Rotstrahlende Buchstaben, welche ich bereits von Fotos mit Partypuppen darauf kannte, bereiteten ein reizvolles Bühnenbild. Ebenfalls taten dies die drei Schweden. Dorit und icke waren die erste Reihe. Einige zusätzliche Zuschauer hatten sich eingefunden und machten noch drei weitere Reihen komplett. Jette blieb eisern im Vorraum bei Eskobar. Morten von Statemachine war ebenfalls erschienen und hielt sich im hinteren Teil des Raumes auf, er hatte seine Mutter dabei, was uns etwas wunderte. Lowes eingängige Schmusesongs waren mein Highlight des Tages. Mein erstes Lowekonzert... hach ich kriegte mich gar nicht mehr ein und vergaß vor lauter Begeisterung beinahe das Fotographieren. Durch das konstante Rotlicht wurde es sowieso meist erschwert, respektable Bilder zu erhalten.
Leider ging irgendwann auch dieses Konzert zu ende und ich erwachte in der realen Welt mit Kronleuchtern und Kerzenständern. Zeit Jette von Eskobar wegzuhebeln und zusammen mit Mario und Jim, welche gerade den Saal betraten gen off. Pre-Tinitus zu fahren. Immerhin waren wir dort mit hunderten Leuten verabredet und einige Musiker des Festivals waren ebenfalls vor Ort und auf unserer To-Do-Liste. Mit dem Taxi und einigen gemischten Meinungen kamen wir gegen 23:00 Uhr vor der Schlange anstehender Menschen an. Wie vor jedem Club, jeder Bar und wahrscheinlich sogar jedem Bäckerreiladen, scheint man in Stockholm erst mal anstehen zu müssen. Darauf hatte aber nun keiner Lust. Da die sonst üblichen Anrufe beim Veranstalter diesmal nichts brachten und wir bereits 10 min in der kühlen Nacht verbrachten, verzogen sich Mario und Jim drei Straßen weiter zu einer Plastic-Party. Wir wollten eventuell nachkommen sollte sich in den kommenden 15 min nichts ergeben. Dann sprang Jette einen Mann an. Der freute sich darüber und dann stellte sich raus, dass Jette wohl schon des längeren mit Mark J. bekannt war, dem Drummer meiner Lieblings-Läster-Formation des Weiberelectros. Na toll Jette, noch mehr Geheimnisse? ;) Mr. Jackson verabredete ein Bier mit jedem von uns im Inneren des Gebäudes, sollten wir es noch vor Ostern schaffen hineinzugelangen und begab sich absolut umständlich auf den Weg zu einer nahegelegen Bank. Also die war eigentlich Luftlinie einen Steinwurf entfernt auf der anderen Straßenseite. Um dahin zu gelangen musste man sicher nicht 200 meter zurück laufen, an einer Fußgängerampel an einer leeren Straße auf Grün warten und dann wieder 200 meter auf der anderen Seite gehen um sie zu erreichen. Als er zurück kam, meinte er nur: Er wäre ein höflicher Mensch und würde ungern negativ auffallen als Ausländer. Ja gut gemacht, Mark * g * . Zu dem Bier kamen wir nicht mehr. Nach einem kurzen Gespräch mit hinter uns stehenden Holländern ( ah der Mann aus dem Flugzeug, klar dass wir den noch mal treffen sollten) entschieden die Mädels wieder zurück zum Mondo zu fahren.
Da war jetzt noch weniger los als vorher... nach einem Drink entschieden Doro und ich, ein Taxi gen Lowe-Wohnung zu nehmen. Jette und Synke schienen energiegeladener zu sein und blieben noch ein paar Stunden zwischen tanzenden schwedischen Studenten und kamen erst mit den ersten Sonnenstrahlen zu uns, drum hatten wir diese Nacht das breite Bett und sie mussten auf dem Boden davor schlafen. *Feix*
Natürlich war ich als erster wach. Dank der Rodeo-Badewanne auch bald die anderen. Wie oft ist in den vier Tagen eigentlich der Seifenspender hinter die Wanne gefallen? Und warum werden schwedische Badewannen nicht mit dem Boden verbunden? Zusammen mit Doro suchten wir uns einen netten Laden zum Frühstück besorgen und stellten dabei fest, dass die Personalleiter schwedischer Einkaufsketten eindeutig weiblich oder schwul sein mussten, denn ein Verkäufer sah besser aus als der andere. So macht einkaufen erst richtig spaß!
Gegen Mittag waren dann auch Synke und Jette soweit bei sich, dass wir zur Aktion „Thaikochen mit Hindernissen“ übergehen konnten. Nicht das wir keine Ahnung davon gehabt hätten, allein es fehlte an Küchenutensilien. Geht Rickard denn nur auswärts essen? Er hat keine Kaffeetassen, nur 4 Teller, keinen Dosenöffner (und jetzt auch keine scharfe Schere mehr) und mit zwei Töpfen und einem Wok wurde es auch recht knifflig, alles gleichzeitig auf den Tisch zu bringen. Das Ergebnis war aber absolut zufriedenstellend. Siehe Foto! Das Essen strahlt einen direkt an (kleine Kunstkreation von Synke). Nach und nach restaurierten wir unser lädiertes Äußere und trafen rechtzeitig im LOWEstudio ein um die Herren anzutreiben. Denn die waren heute dafür zuständig, dass wir ohne Ticket eingelassen werden würden. Doro und Jette, beide bereits auf anderen Gästelisten vertreten, fuhren einige Stunden vor dem Rest zum Festival aber verpassten so ziemlich alles, was sie sehen wollten. Beim Entern des Raumes erklang gerade noch ein „ bis bald, das waren Fixmer Mccarthy, tschüß“. Tja! Somit beschlossen die beiden, sich den Rest des Abends nur noch mit dem ansprechend gutaussehenden Publikum zu beschäftigen und den Alkbestand des deutschen Autos von Pohle und Mario zu dezimieren. Synke, icke und Lowe hielten noch einmal kurz in einem der besten schwedischen Thairestaurants bevor wir, Lowe-Plakate rechts und links klebend, rechtzeitig zu Alphaville Auftritt die Halle betraten. Der auffällige Mann vom Lübecker Flughafen lief mir dabei über den Weg, musste sich unbedingt vorstellen und war der Meinung, mir einfach jetzt einen Drink nach dem anderen kaufen zu wollen. Nach dem zweiten Glas bedankte ich mich höflich aber stellte unmissverständlich fest, wenn er heute Nacht eine Begleitung suche, dann bitte nicht mich fragen. Ab da konnte ich wieder selbstständig meine Drinks bestellen. *g*
Während des Alphavillesauftritt machte eine neue Wortkreation die Runde. Dank der Fülle des Sängers, der mind. 130 Kg wiegen musste und dem entsprechend seine Show abzog, wurde das Tinitus-Festival kurzer Hand umbenannt: Not Thiny- tus more Fattie-tus.
Kreative Skandinavier.
Der Headliner nahte. Und wer sollte es anders sein? Hamburg ole! VNV wie immer überall dabei. Aber diesmal ein kleiner Unterschied. Ich war in der ersten Reihe. So langsam sanken meine Abwehrkräfte. Dank einiger Small-talks vergangener Treffen, einiger mega-lustigen Streitthemen im VNV-forum und ja auch wegen neuer Ansatzpunkte in einigen Songs der beiden Superstars begann ich über ein Umdenken zu grübeln. Und die Show half bestens. Schweden war ausser Rand und Band. Die Absperrzäune kippten reihenweise. Security wurde zusätzlich angefordert und vor und hinter die labilen Begrenzung zur Bühne positioniert. Man hätte natürlich behaupten können, die Leute wollten eigentlich nur schnell da weg, Fluchtverhalten auf Grund VNVoverdose... aber nö, war ja nicht so. ;)
Ronan, von seiner erhöhten Position aus, alles überblickend, machte sich wie immer die größten Sorgen um seine Fans. Er bat inständig um mehr Vorsicht und weniger Kraft, ansonsten müsse er leider die Show abbrechen. Viel geholfen hat seine Ansage nicht. Mehr als einmal wurden schwächere Fans aus dem Pulk aus Armen und schweißüberströmten Gesichtern gezogen.
Nach anderthalb Stunden, als so ziemlich alle neuen Songs vorgestellt wurden, stellte ich mich aus gesundheitlichen Gründen lieber auf die Galerie und besuchte den Merchstand mit Peddy und Dirk Ivens dahinter. Beide öfter auf die Uhr schauend. VNV in Überlänge.
(To be continued)
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