Montag, 22. Oktober 2007
Benjamin von Stuckrad-Barre -17.03.02 Bonn
Die Stille nach dem Ton
Benjamin von Stuckrad-Barre 17.03.02
Bonn - Pantheon

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So oder so ähnlich denke ich mir, kann man diesen Bericht betiteln. Zig Konzerte halbwegs unbeschadet überstanden, bei Moby 1999 vor dem Frontlautsprecher getanzt, am Ende ("Thousand" der schnellste Beat wo gibt) dagegen gelehnt, auf Festivals unbeirrt vor den Türmen aus Lautsprecherboxen gesessen und sich dabei sogar noch unterhalten ... einmal in Bonn bei einer Lesung gewesen und aus die Maus. Aber das ist ein Individualschicksal - das war einer der Lieblingsbegriffe die uns von der Bühne, da noch erträglich leise, entgegen schallten. Doch davon später.

Ich saß mit meinen Freunden links in guter Sicht-Hörweite vor dem samtbedeckten Tisch und wir erwarteten: einige Texte aus dem neuen Buch "Deutsches Theater" ( SEHR GUT!!!! KAUFEN!!!), eine Menge Unterbrechungen seitens des Autors und einige Unterbrechungsversuche seitens der blonden, Turnschuh zu Karoröcken tragenden Studentinnen vor der Bühne sowie einige kurze, ausgewählte Musikstücke als Pausenüberbrückung. Ich hatte mich doch vorbereitet... hab doch MTV!


Das Publikum war schon mal gemäß meiner Erwartung. Wie lange wohn ich nun hier in dieser Stadt? 3 Jahre? Ich kannte niemanden. Macht nichts. Wahrscheinlich war ich auch der einzige Realschulabschluß-Abi-versucht-aber-war-nicht Ossi des Abends. Und dann noch ein "Grufti" . You know what I mean?

Benjamin von Stuckrad-Barre (im folgenden nur BvsB genannt) betrat rasch die Bühne, nahm noch rascher Platz, hektisch die Texte ordnend, sich entschuldigend, er habe gestern in Köln wohl etwas zuviel gefeiert und nun keine Zeit gehabt, wäre praktisch gezwungen worden, auf die Bühne zu gehen aber das wäre ja alles kein Problem und überhaupt, schön wieder hier zu sein, ist denn einer gestern auf der Little Cologne gewesen, solle er denn nun den Showablauf extra wegen dieser einen Person ändern, nein er glaube nicht, dass das ginge, wäre ja ein Individualschicksal und da könne er nun gar nichts für.....

Also das typische BvsB-Monolog-Einleitungs-ohne-Punkt-und-Komma-Hallo. Da möchte man doch stellvertretend für ihn ein- und ausatmen aus Angst, er könne jeden Moment feststellen, dass er selber zu atmen vergessen hat und umfallen. Und dann sitzt man da mit der bezahlten Karte. Right?! *g*

Na jedenfalls ging ' s dann los, der erste Text war... ähm.... jedenfalls nicht der mit BAP, der kam später. Ähm.. und auch nicht der über den Nürburgring... vergessen... passiert. Bei meiner heutigen Recherche fiel auf: Gut das es die Fotos hinter ihm auf der Leinwand gab! Ich visuell veranlagter Mensch erinnere mich eher an die Reihenfolge der Bilder als an die der Texte.

Also im laufe der zwei Stunden hörten ( und sahen) wir von:
* Formel 1
* Promotion ( kann sein, das war das erste)
* Manfred Krug
* Pizzabringdienst
* Gastronomie ( der Lacher schlecht hin)
* Homeshopping
* Mietverhältnis
* Wind of Chance (mit Rocco Klein als Gastleser)
* Der Kitschmillionär (als gewünschte und akzeptierte Zugabe)


Natürlich kann BvsB auch langsamer reden. Ganz langsam und dann mit vibrierender Bassstimme. Vor allem dann wenn ihm etwas scheinbar peinlich ist und er es noch dreimal erwähnt, damit auch wirklich jeder mitkriegt, was er da grad so peinliches gesagt haben soll. Beispielsweise brachte ihn die Verwechslung der Handtuchfarbe fast um die Innere Ausgeglichenheit: GRÜN?! Das ist doch gelb! Wieso sagte ich grün? Wie kann ich nur? So früh am Abend schon Wortfindungsschwierigkeiten? Warum? Wieso? Grün... nein Gelb!
Und auch in spätere Texte baute er immer wieder gern diese, wohl jetzt legendäre Passage Grün-Gelb-hauptsache-Handtuch ein.

Alles ist Material, aha ich verstehe.

Überhaupt unterbrach er gern die Lesung um einige kleine erlebte Geschichtchen zu erzählen, die ihm auf den vergangenen Tagen der Lesereise widerfahren sind. Da ist es wohl von Vorteil, wenn man sich in der deutschen Prominenz auskennt. Ich wusste in 9 von 10 Fällen nie um wen es geht. Realschulabschluß-Abi-versucht-aber-war-nicht Ossi, ich sag ' s ja!
Ob die blonden Studentinnen wohl nach diesen Geschichtchen in dem Buch suchen werden? Ich hoffe ja, ich weiß nein.

Zwischen Beispielen für sein Können als Autor unterhielt BvsB sich- und sich mit den anwesenden Gästen. Da wurde der Text vom Merrcie-das-es-dich-gibt-Lied mühsam zusammen getragen
(super mentale Beeinflussung, ich habe am selben Abend noch im Internet gesucht damit ich endlich endlich!!! den richtigen Wortlaut weiß... ), über die Herkunft der Tablettendöschen auf seinem Tisch spekuliert (hierbei gewann das Interesse an denen aus Halle vor dem Interesse an denen aus Hannover ) und wieder über die vergangenen Tage der Lesereise berichtet. Langsam glaube ich, alle Prominenten ( ob ich sie nun kenne oder nicht) leben ständig in Hotels und treffen ständig auf BvsB. Alle kein zu Hause oder wie? Doch klar, sie hatten eins... siehe Manfred Krug in " Ruhestand " ("Ha ha denkt ihr ich kann alle Seitenzahlen meiner Werke auswendig?") (Seite 79 anm.d.red) Aber auch in ihrem Zu-Hause treffen sie auf BvsB. Alles ist Material. Ja, das ist nun klar.

Irgendwann am Abend fiel ihm ein, dass eine Bonner Freundin (Neid macht sich sichtbar breit in den Gesichtern der hellhaarigen Turnschuh-mädels... eine von ihnen !!! hier !!! in Bonn!!!) habe ihn zu einer Geburtstagsfeier nach der Show eingeladen. Wo denn die Pariser Str. und das Studentenwohnheim sei? Ich dachte mir, ja hallo? Sollen jetzt alle mal ZUFÄLLIG da vorbei gehen oder wie? Und er habe nun gar kein Geschenk für diese wirklich liebe geliebte Freundin. Bitte helfen! Jetzt!

Und tatsächlich... es dauerte nur 3 weitere Textvorstellungen und 4 Promi-Geschichten und die erste blonde Studentin kippte ihre Tasche aus und reichte CDs auf die Bühne. War dann aber noch nicht so das richtige....die habe sie schon, die liebe Freundin. Daraufhin konnte die nette CD-Spenderin anbringen, dass sie auch schon alles von BvsB habe und es nun wohl schwierig mit dem Gegengeschenk werden würde. Ich habe nicht die ganze Diskussion mitbekommen, jedenfalls flog am Ende die eben überreichte Studentinnen-CD im hohen Bogen wieder in den Saal. Der Vorschlag: mit dem Geburtstagskind auf ein Frühstück nach Paris! wurde sofort abgelehnt. Da könne er ihr ja gleich was anderes sagen. Ich will ' s nicht wiederholen WAS, weil es ihm selber so scheinbar peinlich war, dass er es wiederum dreimal wiederholte und leise in das hellhörige Publikum murmelte. Daraufhin bekam er herzige Ohrringe. Wohl eben aus den Ohrläppchen gezogen. Hmmmm da freut sich sie sicher, dachte ich. Es folgte ein Schal und eine Strickjacke. Alles gebrauchte Dinge. Ist wahrscheinlich eine brauchbare Freundschaft... o.k. der Witz war nicht so gut.

Ich überlegte mir, was die Gute eigentlich von ihm zu Weihnachten bekommen würde, wenn er schon jetzt so viele materialistische Dinge um sich sammelt wie es eben nur ging? Ich hätte mich über einen selbstrausgerissenen Strauß Frühblüher und Sträucher mehr gefreut als über schon benutzte Geschenke aus Fankreisen. Am Ende begegnen sich der einstige Besitzer und die Beschenkte in der Stadt... wie peinlich.
Ach für dich? Ach von dir?

Nun mal zu meinem Individualproblem. Die Lautstärke. Nach nur 15 min auf der Bühne, bemerkte BvsB ein leises (für ihn immer störender werdendes) Pfeifen. Das musste abgestellt werden. Wurde es dann auch ( die Bierkühlanlage soll es gewesen sein, bezweifelten aber alle im Saal) Beim nachprüfen des verschwundenen Pfeifen muss er dann aber wohl den Volume-Regler der Anlage bis zum Anschlag gedreht haben ( Plus wohlgemerkt) denn beim erklingen der Übergangsmusik zum neuen Thema, zuckten alle zusammen. Das waren Schmerzen! Bei mir zumindest, saß ich doch nur 3 Meter vor/unter den zwei großen Boxen. Kommentar von der Bühne: "Oh, ha ha, na dann pfeift es wohl jetzt bei jedem selbst."
Aber leiser wurde es auch nicht. Also hielt ich mir unauffällig immer ein Ohr zu, wenn es wieder so weit schien. Half nicht viel. Bin immer noch sensibel wenn es zu laut wird um mich herum. Ich höre derzeit mehr Freundeskreis als Wumpscut. Hoffe das wird sich wieder geben.

Was ich noch bemerkenswert fand, war die eine blonde Frau ganz vorn, 1. Reihe auf meiner linken Seite. Als BvsB sich auf der Suche nach Liedtext/Geschenk/Aufmerksamkeit was auch immer, zu uns wand, war ihr wohl auf einmal sehr sehr warm und sie musste jetzt dringend mal ihren Pullover ausziehen. 3 min später war ihr dann wohl wieder zu kalt in ihrem Top. Da sah er ja auch nicht mehr her. *g*

Nach 2 Stunden und einer kleinen Pause verabschiedete BvsB sich in gewohnt kurz gehaltener Verabschiedungs-Art und eilte wohl mit seinen Gaben Richtung mir unbekannter Pariser Str. Kein Nachwinken... kein Autor-Gramm ( ha was ' n Wortwitz, wa?)
Brav verließen auch die vielen Gäste und die paar Künstlergäste
(in ungebildeten Kreisen heißt das V.I.P. und ich hätte nach dem Platz nehmen am Tisch den Zettel gaaaaanz schnell verschwinden lassen aber ich durfte ja nicht mal fotographieren....) den Saal. Wie vermisste ich die üblichen Musikergewohnheiten: noch mal raus-runter-hinterkommen, Backstagepass-Präsentieren, mit Fans reden und dann der-Bus-fährt-sorry-bis-morgen-oder-so gehen.

Heute saß ich mit dem neuerworbenen Buch ( jaaaa alles hatte ich nun doch noch nicht) in der Bahn und machte mir so meine Gedanken, ob sich denn andere nun wegen dieses Buches Gedanken über mich machten. Ist das nun out, ein Buch eines Autors öffentlich zu lesen, wo er grad erst in der Stadt war? Erscheint man dann " in " oder wie ein mitlaufender Anfänger? Aber ich habe die Vermutung, wenn die sich überhaupt Gedanken um mich machen, dann sicher nicht deswegen.

Realschulabschluß-Abi-versucht-aber-war-nicht Ossi.. und noch dazu in schwarz. Alles ist eben ... ach ihr wisst schon.

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